Historische Entwicklung der Feuerbestattung

Die Geschichte der Einäscherung von Verstorbenen reicht bis in die Steinzeit zurück.

Insbesondere für die Bandkeramiker war die Leichenverbrennung eine ehrenvolle Kunst. In die gebrannten Keramikurnen wurde der Leichenbrand von Fuß bis Kopf eingeschichtet. Sehr oft wurden die Urnen in Gewänder gekleidet, die in der Bronzezeit mit Bronzenadeln verziert waren.
 
In Mitteleuropa war mit der Ausbreitung des Christentums der Brauch der Leichenverbrennung sukzessiv verschwunden. Mit dem Anwachsen der Großstädte wurde vielerorts der Platz auf den Friedhöfen knapp. Die technische Entwicklung erlaubte es im 19. Jahrhundert erstmals, die Einäscherung abzuwickeln. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden Feuerbestattungsvereine.
 
In Europa fand die erste Feuerbestattung der Neuzeit im Jahre 1752 auf Schloss Roßwald in Österreichisch-Schlesien statt. Die Gemahlin des Grafen Albert Joseph von Hodlitz wurde auf einem Scheiterhaufen eingeäschert. Im Jahr 1874 wurde die erste Einäscherung auf dem Gebiet des heutigen Deutschland vollzogen.
 
Der Mediziner Friedrich Küchenmeister war ein Verfechter der Feuerbestattung, da er in den Fäulnis- und Verwesungsgasen, die bei einer Erdbestattung entstehen, die Gefahr der Bodenvergiftung sah. Er gründete 1873 in Dresden den Verein Die Urne - Verein für facultative Leichenverbrennung. Gemeinsam mit dem Leipziger Polizeiarzt Carl Reclam gewann er den Ingenieur Friedrich Siemens dafür, in seiner Glasfabrik auf der Freiberger Straße einen Ofen für die Verbrennung von Verstorbenen zu entwickeln. So fand am 9. Oktober 1874 in Dresden in dem von Siemens entwickelten Regenerationsofen die weltweit erste Einäscherung in geschlossenem Feuer statt, wovon Küchenmeister unverzüglich in der Zeitschrift Deutsche Klinik berichtete. Etwas von dieser Asche wird im Krematorium Meißen aufbewahrt. Interessanterweise war die Verstorbene keine Deutsche, sondern Engländerin, die diese Form der Bestattung in ihrem Testament festgelegt hatte.

1876 entstand die erste europäische Einäscherungsanstalt in Florenz.

 

Das erste Krematorium im deutschsprachigen Raum wurde 1878 von Julius Bertuch und Carl Heinrich Stier auf dem Gothaer Hauptfriedhof erbaut.

 
Die Thüringer Residenzstadt im Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha galt als liberal und fortschrittlich, so gab es dort seitens des Herzogs Ernst II. und der Landeskirche weniger Widerstand bei der Einführung der als sehr modern geltenden Feuerbestattung als in anderen deutschen Kleinstaaten. Die erste Einäscherung im Gothaer Krematorium fand am 10. Dezember 1878 statt. Es handelte sich um den Erbauer des Krematoriums, den Bauingenieur Carl Heinrich Stier. Er war jedoch bereits ein Jahr vor der Fertigstellung verstorben. So verfügte er in seinem Testament die Einäscherung seines Leichnams nach Inbetriebnahme des Krematoriums. Der Verstorbene wurde daher in einem versiegelten Metallsarg nur vorläufig beigesetzt, um dann den Flammen übergeben zu werden. Stier war der einzige in Gotha und einer der wenigen, für die Bestattungen nach beiden Arten stattfanden.
 
Im Jahre 1878 blieb es bei dieser einen Verbrennung, 1879 fanden 17 Einäscherungen statt. In den folgenden Jahren wurden immer mehr Verstorbene aus allen Teilen Deutschlands ins Gothaer Krematorium gebracht. Bis zum 10. Dezember 1882 wurden 100 Verbrennungen vorgenommen: von den Verstorbenen waren bis dahin 70 evangelischer, zwölf katholischer, fünf jüdischer Konfessionszugehörigkeit, für weitere 13 fehlte eine Angabe zur Konfession. Erst 1891 (13 Jahre nach Inbetriebnahme des Gothaer Krematoriums) ging auf dem Bergfriedhof Heidelberg das zweite deutsche Krematorium in Betrieb und ein Jahr später in Hamburg das dritte. 1910 waren dann bereits mehr als 20 Krematorien in Deutschland errichtet. In Offenbach wurde auf dem Friedhof Friedhofstraße 21 eines der ersten Krematorien (1891-1892) errichtet.

Wegen religiöser Bedenken gegen die Feuerbestattung waren die ersten Krematorien in orientalischem Baustil gehalten, erst 1903 entstand auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe ein Krematorium im Erscheinungsbild eines mitteleuropäischen Sakralbaus.

In der Schweiz wurde erstmals 1889 auf dem Friedhof Sihfeld in Zürich ein Krematorium in Betrieb genommen. Dabei wurde auf bauliche Ausschmückungen geachtet, um den Verstorbenen Respekt zu erweisen.
 
Im katholisch geprägten Österreich wurde gegen den Widerstand der Kirche das erste Krematorium erst 1922 gegenüber des Wiener Zentralfriedhofes eröffnet.