Entstehungsgeschichte Krematorium Wien

Kaiser Karl der Große hat im Jahre 785 den „heidnischen Brauch“ der Totenverbrennung unter Androhung der Todesstrafe verboten und die Erdbestattung in Kirchhöfen zwingend vorgeschrieben. Er folgte damit einem Verlangen der katholischen Kirche, die vom Judentum die Bestattungsregeln übernommen hatte.

Im 18. Jahrhundert kam die Feuerbestattung wieder ins Gespräch, wobei vor allem die Hygiene als Argument angeführt wurde. Überlegungen dieser Art scheiterten jedoch am Widerspruch der Kirche.

Im 19. Jahrhundert wurden ökonomische Gründe für die Feuerbestattung dargelegt, vor allem in den großen Städten, die zunehmend unter Platzmangel litten.

1885 wurde in Wien der Verein der Freunde der Feuerbestattung („Die Flamme“) gegründet. Dieser beantragte im Jahr 1896 die Genehmigung zur Errichtung eines Krematoriums, erhielt sie jedoch nicht.

Im Jahr 1919 erlangten die Sozialdemokraten bei der ersten demokratischen Gemeinderatswahl die absolute Mehrheit und stellten die Feuerbestattung wieder zur Diskussion. Der Gemeinderat beschloss am 7. Oktober 1921 den Bau eines Krematoriums auf dem Gelände des Neugebäudes in Simmering.

Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben. Den Auftrag erhielt schließlich Clemens Holzmeister, der zu Österreichs bedeutendsten Kirchenarchitekten im 20. Jahrhundert zählt. Die Türme und Zinnen des Krematoriums erinnern an das Schloss Neugebäude, in dessen Park die Feuerhalle und der Urnenhain liegen. 

17. Dezember 1922

Einen Tag vor der geplanten Eröffnung am 17. Dezember 1922 verbot Sozialminister Richard Schmitz die Feuerbestattung in ganz Österreich. Trotzdem eröffnete Bürgermeister Reumann das Krematorium am 17. Dezember 1922. Er war auch dabei, als am 17.Jänner 1923 die erste Feuerbestattung erfolgte.

Die Bundesregierung klagte Reumann beim Verfassungsgerichtshof. Von allen Kanzeln der katholischen Kirche wurde die Schließung des Krematoriums und die Bestrafung des Wiener Bürgermeisters gefordert. Die evangelische Kirche und die israelitische Kultusgemeinde blieben neutral.

Der Verfassungsgerichtshof entschied 1924 im Sinne der Stadt Wien. Die Zeitungen vermerkten das als große Überraschung, weil angesichts der meisten Verfassungsrichter ein Urteil im Sinne der Kirche und der christlich sozialen Parteien erwartet worden war. Doch die Verfassungsrichter hatten sich an die Verfassung gehalten. Dort ist eindeutig festgelegt, dass das Bestattungswesen Sache der Gemeinden ist.

Dem Wiener Beispiel folgten bald andere Städte mit sozialdemokratischer Mehrheit: Steyr 1927, Linz 1929, Salzburg 1931, Graz 1932 und Villach 1953. Der Konflikt um die Feuerbestattung ist heute ferne Geschichte. Seit 1963 toleriert die katholische Kirche die Feuerbestattung, wenngleich sie nach wie vor die Gläubigen zur Erdbestattung mahnt.